Warum der PV-Ausbau in der Schweiz stockt – und wie er wieder Fahrt aufnehmen kann
- Richard Weiss

- vor 12 Minuten
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Autoren: G. Carle + R. Weiss
Die Schweiz installiert heute deutlich mehr Photovoltaik (PV) als noch vor wenigen Jahren. Doch trotz des beeindruckenden Wachstums reicht die Dynamik nicht aus, um bis 2035 rund 35 TWh aus neuen erneuerbaren Energien zu erreichen – wobei der grösste Anteil von der Solarenergie erwartet wird.

Im Jahr 2024 kamen rund 1.8 GW neue PV-Leistung hinzu, die Solarproduktion stieg auf 5.96 TWh – das entspricht etwa 10% des Schweizer Stromverbrauchs. Selbst wenn 2025 rund 14 % erreicht werden, bleibt die Lücke gross, insbesondere bei der wintertauglichen Erzeugung.
Kurz gesagt: „PV läuft nicht schnell genug.“
Doch woran liegt es, dass der Zubau trotz technologischer Reife, sinkender Kosten und wachsender Akzeptanz nicht stärker anzieht? Eine Kombination aus sozialen, regulatorischen, wirtschaftlichen und netztechnischen Bremsen verlangsamt den Ausbau:
1. Lokale Prioritäten und Bewilligungsverfahren
Häufig fehlt es auf lokaler Ebene an klarer Priorität für erneuerbare Projekte. Gemeinden spielen dabei eine Schlüsselrolle. Sie müssen Bewilligungsverfahren vereinfachen und Energieprojekte aktiv vorantreiben. Das Stromgesetz verpflichtet zwar zu erleichterten Verfahren, doch die Umsetzung verläuft heterogen und langsam. Manche Gemeinden gehen mit gutem Beispiel voran, andere bleiben in administrativen Routinen stecken. Wenn Gemeinden PV als Standortvorteil verstehen und Planung aktiv steuern, lässt sich die Realisierung stark beschleunigen.
2. Rückliefertarife – ein unterschätzter Bremsfaktor
Die Rückliefertarife für eingespeisten Solarstrom sind uneinheitlich und oft zu tief. 2025 liegen typische Haushaltstarife bei etwa 29 Rp./kWh während Einspeisevergütungen meist zwischen 11 und 13 Rp./kWh betragen. Das macht Eigenverbrauch wirtschaftlich attraktiver als die Einspeisung ins Netz – ein Anreiz, der den Ausbau grösserer, netzdienlicher Anlagen hemmt.
Ab dem 1. Januar 2026 sinken sogar die Tarife weiter:
bis 30 kW auf 6 Rp./kW
zwischen 30 und 150 kW auf 1.2 Rp./kWh.

Diese Werte sind die Minimalvergütungen, die Energieversorger ansetzen dürfen. Ab 1. Juli 2026 kommen zudem stündliche Rückliefertarife auf Basis des Schweizer EPEX SPOT-Preises – was zu negativen Vergütungen führen kann.
Bis 150 kW bleiben Minimaltarife garantiert, darüber hinaus unterliegen Anlagen vollständig dem Marktpreisrisiko. Für viele Investoren bedeutet das Unsicherheit – und für Energieversorgungsunternehmen die Notwendigkeit, neue Geschäfts- und Tarifmodelle zu entwickeln, bzw. mit Batterien zu arbeiten.
3. Winterstromlücke und saisonale Schieflage
Die Schweiz hat nicht nur ein Mengen-, sondern vor allem ein Saisonproblem: PV liefert im Sommer Überschüsse, doch im Winter bleibt eine deutliche Lücke. Ohne gezielte Lenkung bleibt der Zubau sommerlastig, während die Winterstromlücke wächst. Politik und Energieversorger sind gefordert, winteroptimierte PV-Projekte gezielt zu fördern – etwa durch steilere Dachneigungen, Fassaden-PV, alpine oder höhergelegene Standorte, und die Kombination mit Speichertechnologien.
4. Netzengpässe und fehlende Flexibilität
Viele lokale Verteilnetze stossen an ihre Grenzen. Fehlende Speicherintegration, mangelnde tarifliche Anreize und verzögerte Netzausbauten verhindern höhere Anschlussleistungen.
Doch der Schlüssel liegt nicht nur im Ausbau, sondern in der intelligenten Nutzung vorhandener Infrastruktur. Wenn PV, Speicher, Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur als vernetztes System gedacht werden, können Engpässe reduziert und Flexibilität nutzbar gemacht werden.
5. Energieversorgungsunternehmen (EVU) als Taktgeber der Energiewende
EVU spielen eine zentrale Rolle in der Aufnahmefähigkeit und Dynamik des PV-Ausbaus. Ihre Aufgabe verändert sich vom passiven Abnehmer zum aktiven Orchestrator im Solarmarkt:
Eigenverbrauch professionalisieren: EVU sollten LEG (lokale Eigenverbrauchsgemeinschaften) und ZEV (Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch) skalieren, da innerhalb dieser Modelle Netznutzungsgebühren entfallen. Mit standardisierten LEG-/ZEV-Services, Lastgangmessungen und Abrechnungssystemen können EVU PV, Speicher und Wärmepumpen in Quartieren wirtschaftlich und effizient kombinieren.
Speicher priorisieren: Batteriespeicher sind von Netzgebühren entlastet – ein entscheidender Hebel. EVU sollten Speicher bei grossen Neuanschlüssen Neuanschlüssen systematisch mitplanen, Peak-Shaving-Programme etablieren und Flexibilitäten aktiv beschaffen oder vermarkten, um Netzverstärkungen zu vermeiden.
Winterfokus und Portfolio-Steuerung: Attraktive Förderungen für winteroptimierte Dach- und Fassaden-PV oder alpine Projekte helfen, die Winterimportabhängigkeit zu senken.
Kapazitätsaufbau mit Solarteuren: Standardisierte Anschlussprozesse, Service-Level-Agreements (SLAs) und vorkonfigurierte Messkonzepte verkürzen Projektlaufzeiten. EVU können hier als „Generalunternehmer light“ auftreten und die Realisierungsquote erhöhen.
Endkundensignale neu setzen: Mit sinkenden Endkundentarifen 2025 schrumpfen die Einsparpotenziale. EVU können über dynamische Tarife, Community-Boni und integrierte Angebote (PV + Speicher + Wärmepumpe) neue Wirtschaftlichkeit schaffen -- und gleichzeitig netzdienliches Verhalten fördern.
6. Intelligente Steuerung und Vehicle-to-Grid (V2G)
Um die Flexibilität von PV und Batterie optimal zu nutzen, braucht es Softwarelösungen hinter und vor dem Zähler.
Ein sogenannter Optimizer kann sowohl “behind the meter” Kosten senken (durch Lastverschiebung) als auch “in front of the meter” Erträge generieren (durch gezielte Einspeisung). Er kann zudem die klassische Rundsteuerung ersetzen, indem er PV-Anlagen bei Netzüberlastung oder vollem Speicher automatisch steuert.
Auch im Bereich V2G und Vehicle-to-Home (V2H) eröffnen sich neue Chancen: E-Fahrzeuge können PV-Strom speichern und diesen abends wieder ins Haus oder Netz einspeisen – ein Schlüssel zur Dezentralisierung und Netzstabilität.
7. Drei strategische Hebel für EVU
1. Tarif- und Produktarchitektur neu justieren:
Einführung dynamischer Tarife, HKN-Zuschläge, Speicher- und Flexibilitätsboni.
Standardisierte LEG-/ZEV-Tarife für kollektiven Eigenverbrauch.
2. Flexibilitätsprogramme aufbauen:
Integration von Optimizer-Software, die „hinter dem Zähler“ Kosten senkt und „vor dem Zähler“ Erträge generiert.
Nutzung von V2G und Quartierspeichern zur netzdienlichen Steuerung.
3. Winterziel-Pipelines entwickeln: Förderung von Fassaden-PV und winteroptimierten Anlagen durch gezielte Programme oder Ausschreibungen.
Wie geoimpact mit «Swiss Energy Planning» (SEP) unterstützt
geoimpact beschleunigt den Ausbau der Photovoltaik mit Swiss Energy Planning (SEP) – einer datenbasierten Planungsplattform für Gebäude-, Quartiers- und Gemeindeebene. geoimpact und SEP kann das Folgende leisten:
Datenintelligenz für Planung und Investition:
SEP verknüpft Informationen zu Gebäuden, Parzellen, Dach- und Fassadengeometrien, Solarpotenzialen, erwarteten Erträgen, Finanzkennzahlen, lokalen Tarifen, Rückliefervergütungen, Netzbetreibern und LEG-/ZEV-relevanten Attributen. Diese Grundlage ermöglicht präzise Energie- und Investitionsentscheidungen.
Gebäudeebene – Wirtschaftlichkeit im Detail:
SEP zeigt für jedes Gebäude:
PV-Eignung von Dach und Fassade
Einstrahlung, potenzielle Erträge und Finanzertrag
Eigenverbrauch, Autarkie, Investitions- und Betriebskosten, Amortisation und Rendite.
Ergänzend integriert: Pronovo-Daten zu installierten PV-Anlagen mit Inbetriebnahmedatum und Kategorisierung.
Gemeindeebene – strategische Steuerung:
Auf Gemeindeebene kombiniert SEP Solarpotenzialflächen, bestehende Anlagen, demografische Daten, Bauzonen und Leerstandsindikatoren. In Verbindung mit Bau- und Renovationsdaten lassen sich Ausbauwellen und Nachverdichtung gezielt planen – unterstützt durch das Tool multiload.
Drei typische Einsatzfelder für SEP sind:
Lead-Suche mit Unterstützung von SEP.multiload: Identifikation von LEG-/ZEV-fähigen Arealen mit hoher PV-Eignung und Winterpotenzial.
Netz- und Flexibilitätsplanung: Aggregation von PV- und Speicherpotenzialen zur Engpassprävention.
Strategische Ausbauplanung: Entwicklung von kommunalen und EVU-bezogenen Ausbaupfaden mit wirtschaftlichen und netztechnischen Kriterien.
Geschwindigkeit durch Daten, Kooperation und klare Strategien
Der PV-Ausbau in der Schweiz macht Fortschritte – aber noch nicht im nötigen Tempo. Bürokratie, Tarifstrukturen, saisonale Schieflagen und Netzgrenzen bremsen die Dynamik. Doch die Hebel sind klar: EVU, Gemeinden und Planer können mit datenbasierten Entscheidungen, Flexibilitätsstrategien und einem Winterfokus die Energiewende lokal beschleunigen.
geoimpact liefert mit Swiss Energy Planning die Werkzeuge dafür – für mehr Transparenz, Zielklarheit und Umsetzungskraft. So wird aus Potenzial schrittweise Realität.
Wollen Sie mehr erfahren? Contact us: richard.weiss@geoimpact.ch




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