Zielnetzplanung: Wie Energieversorger ihre Netze fit für die Energiewende machen
- Richard Weiss

- vor 6 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Autoren: Gian Carle, Richard Weiss
Praxisbeispiele von drei Energieversorgungsunternehmen (EVU)
Die Energiebranche steht in einem tiefgreifenden Wandel. Für die Energieversorger und Stromnetzbetreiber bedeutet das: Sie müssen deutlich höhere Lasten aufnehmen und mehr dezentrale Produktion integrieren und dabei das NOVA-Prinzip (Netzoptimierung vor Netzverstärkung vor Netzausbau) immer bestmöglich einhalten.
Eine wirksame Zielnetzplanung ist dafür zentral, wie wir ein einem vorherigen Beitrag erläuterten. Sie schafft Transparenz darüber, wie sich Lasten, Erzeugung und Flexibilität langfristig entwickeln – und welche Investitionen notwendig, sinnvoll oder sogar vermeidbar sind (NOVA). Um diesen Prozess effizient bewältigen zu können, braucht es relevante und hochwertige Daten, smarte Modellierung und eine Digitalisierung, damit Planungen rollierend durchgeführt werden können.
Zielnetzplanung ist nur dann wirksam, wenn sie operativ umgesetzt wird. Die folgenden drei Praxisbeispiele von einem grossen bzw. einem mittelgrossen EVU sowie von einem grossen Stadtwerk zeigen, wie Netzbetreiber Swiss Energy Planning (SEP) einsetzen, um ihre strategische und operative Netzplanung digitaler zu gestalten, und damit ihre Zukunft zu sichern und Investitionskosten zu minimieren.
Konzept für Niederspannungs--Monitoring und Lastprognosen bei einem grossen EVU
Kontext
Ein grosses EVU steht vor der Herausforderung, steigende Lasten in der Niederspannung (NS) frühzeitig zu erkennen und langfristig verlässlich zu prognostizieren. Der zunehmende Ausbau von Photovoltaik (PV), Wärmepumpen und E-Mobilität erfordert eine transparente, datenbasierte Planung bis weit über 2035 hinaus – unter konsequenter Einhaltung des NOVA-Prinzips.
Konzept
Gemeinsam mit geoimpact wurde ein Konzept entwickelt, das die Grundlage für ein durchgängiges NS-Monitoring und belastbare Lastprognosen bildet. Kern des Ansatzes ist eine zentrale, einheitliche Datenbasis, die Informationen aus den bestehenden IT-Systemen GIS, ERP, Netzberechnung (wie NEPLAN) und Energiedatenmanagement mit den Gebäude- und Standortdaten aus SEP zusammenführt undnutzbar macht.
Kernpunkte
Aufbau einer zentralen Datendrehscheibe: Zusammenführung und Verwaltung von Daten aus ERP, GIS, Netzberechnung und EDM
Entwicklung von Szenarien auf Basis definierter Treiber wie PV-Ausbauquote und Fernwärmeanschlussquote
Kombination von hausanschlussscharfer Betriebsdaten mit gebäudescharfen SEP-Daten
Analyse von Trafokreisen und Belastungen in NS- und MS-Netzen
Entwicklung robuster Indikatoren auf Gebäudeebene (z.B. Leistungsspitzen, Durchdringung Fernwärme, usw.)
Aufbau visueller Dashboards zur Darstellung von IST- und SOLL-Netzen
Erstellung einer Lastgangbibliothek mit synthetischen und gemessenen Lastgängen
Schrittweise Systemintegration mittels API, inklusive der Grundlagen und Mapping der Daten, der Definition von Szenarien und Indikatoren und des Aufbaus eines Transformations-Dashboards

Nutzen
Das EVU erhält eine deutlich höhere Transparenz über aktuelle und zukünftige Netzbelastungen. Investitionsentscheidungen werden robuster, Planungsprozesse effizienter und langfristig können die Gesamtkosten (TOTEX1) spürbar reduziert werden.
Multimodale Planung für Wärme, Gas und Strom bei einem grossen Stadtwerk
Kontext
Ein grosses Stadtwerkverfolgt das Ziel, seine Energieplanung über alle Sparten hinweg zu modernisieren. Die Wärmestrategie, die Gas- und Strom-Zielnetzplanung sowie Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sollen auf einer gemeinsamen, konsistenten Datengrundlage erfolgen und regelmässig aktualisiert werden können.
Konzept
Das Stadtwerk nutzt gebäudescharfe Energiedaten aus SEP als zentrale Basis für energetischen Analysen. SEP dient dabei als verbindendes Element zwischen Wärmestrategie, Strom- und Gasnetzplanung sowie für die Szenarienbildung.
Kernpunkte
Nutzung gebäudescharfer SEP-Daten als einheitliche Datenbasis
Entwicklung von Szenarien für Wärmenetzausbau, Wärmepumpen, E-Mobilität und PV-Einspeisung
Berechnung des Lastzuwachses je Trafostation inklusive N-1-Analysen (Resilienzanalyse)
Vergleich von Ist- und Zielnetzen hinsichtlich technischer und wirtschaftlicher Auswirkungen
Erhöhung der Planungskadenz hin zu einer rollierenden Zielnetzplanung
Bewertung der Effekte neuer Wärmelösungen, PV-Zubau und E-Mobilität auf die bestehende Infrastruktur
Nutzen
Durch die einheitliche Datenbasis kann das Stadtwerk die Auswirkungen unterschiedlicher Transformationspfade präzise bewerten. Netzinvestitionen werden vorausschauender, wirtschaftlicher und besser auf die langfristige Wärmestrategie abgestimmt.
Dynamische Zielnetzberechnung und aktives Transformationsmonitoring bei einem mittelgrossen EVU
Kontext
Ein mittelgrosses EVU möchte seine Zielnetzplanung stärker automatisieren und dynamisieren. Ziel ist es, zukünftige Engpässe frühzeitig zu identifizieren und verschiedene Ausbaupfade für Wärmepumpen, Photovoltaik und E-Mobilität realistisch bewerten zu können.
Konzept
Über eine Schnittstelle zwischen SEP und dem Netzberechnungstool NEPLAN entsteht ein durchgängiger Prozess von der Datenerfassung (Netzdokumentation, Verbrauchsdaten) über die Lastmodellierung bis zur Netzsimulation. Fehlende Daten werden durch KI-gestützte Plausibilisierung ergänzt.
Kernpunkte
Automatisiertes Datenmapping zur Vereinheitlichung von Hausanschlussdaten aus verschiedenen Systemen
Erzeugung synthetischer Lastgänge pro Hausanschluss für:
Grundlast
Wärmepumpen
E-Mobilität
Photovoltaik
KI-gestützte Ergänzung fehlender Informationen (z.B. PV-Anlagen, Wärmepumpen, Warmwasser, Raumwärme)
Direkte Übergabe der Lastgänge an die Netzberechnung in NEPLAN
Bewertung von Zukunftsszenarien bis 2035 und 2050 auf Basis definierter Treiber
Nutzen
Das EVU kann Zukunftsszenarien realitätsnah simulieren und Netzengpässe frühzeitig erkennen. Die Zielnetzplanung wird dynamischer, schneller aktualisierbar und erlaubt fundierte Entscheidungen zu Netzausbau, Optimierung und Verstärkung.
Die Take-Aways der drei Praxisbeispiele
Die drei Praxisbeispiele zeigen denselben Trend: Netzbetreiber brauchen eine kontinuierliche, datengetriebene und vor allem dynamische Planung. Einmalige Analysen reichen nicht mehr aus. Ein solches System aufzubauen liegt jedoch nicht immer in der Kernkompetenz der Netzbetreiber. Der Mehrwert in einer Zusammenarbeit mit externen Partnern wie geoimpact liegt dabei insbesondere in:
geprüften, gebäudescharfen Daten
automatisierter Modellierung von Lasten und Erzeugern
Integration in bestehende Enterprise-Tools
Aufbau und Betrieb eines nachhaltigen Systems für die laufende Zielnetzplanung
So entsteht ein Zielnetzplanungsprozess, der Versorgungssicherheit stärkt, Investitionen optimiert und Risiken früh sichtbar macht.
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1 TOTEX steht für "Total Expenditure", also die Gesamtkosten, die alle Ausgaben für Betriebskosten (OPEX) und Investitionskosten (CAPEX) umfassen.




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